Moderne Stadtansichten

Neue Bausteine im Barockensemble

An vielen Stellen der Stadt sind sie in den letzten Jahren empor gewachsen, nicht immer zur reinen Freude der Dresdner: neue architektonische Wahrzeichen aus Glas, Stahl und Beton. Im Zentrum herrscht seit langem eine rege Bautätigkeit und die Einwohner nehmen großen Anteil daran. „Die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt sucht ihresgleichen in Deutschland“, meint Oberbürgermeisterin Helma Orosz, die die Verbindung von Alt und Neu für einen modernen Zug hält. Schließlich entsprechen die neuen Fassaden auch dem Selbstverständnis der Stadt, die nicht nur barockes Gesamtkunstwerk, sondern auch ein Ort technologischer und wirtschaftlicher Innovation ist. Dass zeitgenössische Architektur gerade in der Dresdner Altstadt viel Raum einnimmt, sollte Touristen nur im ersten Moment überraschen.

Die gläserne Innenstadt

Derzeit entstehen im innerstädtischen Bereich ganze Quartiere neu. Nach der Prager Straße und dem Wiener Platz ist jetzt das Quartier Mitte an der Reihe, ein Viertel, das Altmarkt und Neumarkt miteinander verbindet. Hier bildet der Postplatz das Zentrum des öffentlichen Personennahverkehrs: An zwei großen Zentralhaltestellen mit einer weithin sichtbaren Überdachung kreuzen sich viele Bus- und Straßenbahnlinien und bieten Anschluss in alle Richtungen - zu vorgerückter Stunde ein Luxus für die flächenmäßig viertgrößte Stadt Deutschlands. Trotz oder gerade wegen seiner großstädtischen Anmut ist der Postplatz umstritten – „Zu wenig Grün!“ lautet ein nicht selten gehörter Ausspruch. Der Wiener Platz wird seit einigen Jahren durch den neuen Hauptbahnhof auf der einen und Glassolitäre auf der anderen Seite geprägt. Besonders auffällig sind das Kugelhaus und die Prager Spitze – als neue Geschäftsadressen für verschiedene Unternehmen haben sie dem Platz mit dem großstädtischen Namen wieder Leben eingehaucht. Schon ein paar Jahre älter ist der Ufa-Kristallpalast, der 1999 den deutschen Architekturpreis erhielt. Der Entwurf des Wiener Architektenbüro „Coop Himmelb(l)au“ ist ein Beispiel für den Dekonstruktivismus: Die Fassade besteht aus Beton und Glas und kontrastiert auffällig mit den Plattenbauten der Umgebung. Erst in diesem Jahr eröffnet hat die Centrum Galerie auf der Prager Straße. Aus baugeschichtlicher Perspektive fallen als erstes die „Waben“ an der Fassade auf - Reminiszenz an ein Kaufhaus, das an dieser Stelle bis vor kurzem unter wechselnden Namen seine Waren feilbot. Dieses Bauwerk wurde ebenfalls ausgezeichnet - mit einem Ökosiegel für Umweltverträglichkeit bei der Planung und Ausführung. Auch in diesem Areal sind Grünflächen mittlerweile rar; die stadtplanerischen Präferenzen liegen eindeutig in der Neugestaltung eines modernen Stadtzentrums.

Neue Sehenswürdigkeiten

Neben den funktionalen Gebäuden der Innenstadt gibt es an deren Rändern neue Häuser, die mittlerweile als Sehenswürdigkeiten gelten. Dazu gehört die Neue Synagoge am Ende der Brühlschen Terrasse, 2001 genau an der Stelle geweiht, an der einst die Synagoge von Gottfried Semper stand. Der neue Sandsteinbau ist in sich gedreht und symbolisiert damit die Ausrichtung nach Osten. Einer der beiden Davidsterne der alten Synagoge, die die Zerstörung vor über 70 Jahren überstanden haben, ziert heute das Portal. Bekannt ist mittlerweile auch die Gläserne Manufaktur am Rand des Großen Gartens, die in den Jahren 2002 bis 2006 entstand. Sie lässt die Besucher - durch eine Glasscheibe getrennt - die Herstellung des Automobils erleben – eine ungewöhnliche, weil transparente Fertigungsstätte, die nicht nur für Fachleute geeignet ist. Der Rundgang führt bis ins Kugelhaus und schafft ein Gefühl für die Eigenart der Architektur. Als moderner Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort ist Dresden auch Austragungsort großer Fachtagungen und Kongresse. An dieser Stelle setzt das neu gebaute ICC an. Das International Congress Center entfaltet seine asymmetrische Fassaden- und Terrassengestaltung direkt am Elbufer, kurz vor der Marienbrücke. Den transparenten Wänden ist es zu verdanken, dass das Bauwerk trotz beträchtlicher Größe sehr leicht erscheint. Forciert wurde außerdem ein Zusammenspiel zwischen den geschwungenen Linien der Konstruktion und dem nahen Fluss – der Bruch zwischen dem historischen Terrassenufer und dem ICC ist beim näheren Hinschauen also gar nicht so groß.

(Post-) Moderne Klassiker

Ein tradierter Standort für Großveranstaltungen ist auch der Kulturpalast gegenüber vom Altmarkt. Als Konzerthaus ist es zugleich die Heimstätte der Dresdner Philharmoniker.  Mit seinen über 30 Jahren ist er das beste Beispiel für ostmoderne Architektur in Dresden. Allmählich wird das Stadtbild grüner: Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden befindet sich gegenüber dem Großen Garten. Seine Gründung geht zurück auf den Dresdner Industriellen Karl August Lingner, den Erfinder des Odol-Mundwassers. Über die teils zwiespältige Geschichte des Hauses, insbesondere im Dritten Reich und der DDR, gäbe es viel Spannendes zu erzählen, über dessen Architektur aber auch. Eine strenge Sachlichkeit, wie sie  typisch für das Ende der zwanziger Jahre war, beherrscht das Gebäude innen wie außen, in den funktionalen Elementen und im Streben nach Höhe – Triumph der Moderne! - erkennt man das Weimarer Vorbild. Das Deutsche Hygiene-Museum wurde in das im Jahre 2001 erschienene Blaubuch aufgenommen, eine Liste national bedeutsamer Kultureinrichtungen in Ostdeutschland, die zurzeit 20 so genannte kulturelle Leuchttürme umfasst. Zum Schluss ein Blick nach Hellerau. Hier hat die erste Gartenstadt auf deutschem Boden gerade ihr 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Die Siedlung geht auf die Initiative des Möbelfabrikanten Karl Schmidt zurück, dessen Name bis heute mit den Deutschen Werkstätten Hellerau verbunden ist. Die Inneneinbauten des Sächsischen Landtages, der Neuen Synagoge und der Elbe-Raddampfer stammen von hier. 1911 wurde das Festspielhaus errichtet, ein moderner Vorläufer des Bauhaus-Stils. Insgesamt ist die Gartenstadt trotz ihres romantisierenden Ansatzes ein modernes Stück Stadtgeschichte – und über die Maßen grün. Letzteres gilt übrigens für die ganze Stadt, auch wenn manche steinernen oder gläsernen Quartieren diesen Eindruck zunächst nicht erwecken: Mit über 62 % Wald- und Grünfläche ist Dresden eine der grünsten Städte überhaupt in Europa.

Projekte

Dresden erfindet sich baugeschichtlich neu: Eine Reihe weiterer Projekte werden in den kommenden Jahren realisiert. Dazu zählt der Umbau des Militärhistorischen Museums Dresden – seit der Wende das Leitmuseum der Bundeswehr in Deutschland. Es befindet sich an der Grenze zur Äußeren Neustadt. Das Hauptgebäude wurde in den Gründerzeitjahren 1873 – 77 errichtet. Seit einigen Jahren wird es bei laufendem Ausstellungsbetrieb in großem Stil umgebaut; die Pläne dafür stammen von Stararchitekt Daniel Libeskind.  Bereits im letzten Jahr wurde Richtfest gefeiert, für das kommende Jahr 2010 steht die Fertigstellung an. Architektonische Krönung ist der „ kühne Keil“: eine riesige Betonwand durchschneidet das ehrwürdige Gebäude in Form eines riesigen Keils, der vom Himmel stürzt.  Er symbolisiert die britischen Bomberverbände vom 13.Februar 1945 und wird in zwei Ausstellungsteilen Geschichte und Gegenwart korrespondierend miteinander verbinden. In Planung ist außerdem die Neugestaltung der Schwimmhalle an der Freiberger Straße nahe dem Hauptbahnhof. Im Realisierungswettbewerb sind kürzlich die Sieger gekürt worden: Den ersten Preis gewonnen hat die Arbeitsgemeinschaft „CODE UNIQE ARCHITEKTEN / DÄHNE ARCHITEKTEN – Dresden“ mit ihrem Entwurf eines Schwimmkomplexes, der mit einer neuen 50m-Schwimmhalle die bislang verschiedenartigen Gebäudeteile zusammenbindet und klar strukturiert.

Es lohnt sich also, Dresden immer mal wieder zu besuchen: Das Stadtbild wird sich auch in den kommenden Jahren wandeln, die Symbiose zwischen alt und neu, Barock und Moderne in Zukunft noch augenfälliger werden.

Tipps am Rande

Dresdens neue Sehenwürdigkeiten entspannt erleben: Zwischen den einzelnen Stationen gibt es vor allem in der Innenstadt viele empfehlenswerte Adressen und Einkehrmöglichkeiten. So ist es vom Congress Center Dresden nur ein Sprung bis zur Yenidze. Das markante Bauwerk - zu Beginn des vorigen Jahrhunderts als Tabakkontor errichtet - beherbergt heute unter der farbigen Glaskuppel ein Restaurant. Im Quartier Mitte reihen sich einige gastronomische Perlen aneinander; einen Besuch wert sind insbesondere das Max Altstadt sowie das Maredo. Direkt am Postplatz befindet sich im "Großen Haus" des Staatsschauspiel Dresden das Theater-Restaurant Felix. Für Touristen führt ohnehin kein Weg am Kulturpalast vorbei: Seit Frühjahr 2009 beherbergt das Gebäude auch die zentrale Tourist-Information der Stadt. Auch außerhalb der Innenstadt genießt man feine Küche: Schmidts Restaurant lohnt in jedem Fall einen Abstecher nach Hellerau.

  

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